Man­tras statt Metal­li­ca

Mantra-Musik und Yoga schei­nen zusam­men zu gehö­ren wie Sah­ne­tor­te und Hüft­speck. Untrenn­bar mit­ein­an­der ver­bun­den, kann das Eine nicht ohne das Ande­re auf­tre­ten. LEIDER! Hier mein erschüt­tern­der Bericht aus der Hippie-Kommune in Süd­spa­ni­en.

Ein Metal­head in der Yoga-Anstalt

Klar, ich bin selbst Schuld. Vor mei­ner Anrei­se habe ich auf der Web­site der Hippie-Kommune gele­sen, dass den Win­ter über kei­ne Yoga­kur­se statt­fin­den. Super, dach­te ich, kein Yoga, kei­ne Yogis, ergo: kei­ne Yoga­mu­sik.

Falsch gedacht.

Zwar lässt sich nicht mehr mit Sicher­heit sagen, ob ich nun den Text auf der Web­site falsch ver­stan­den oder mei­ne war­nen­de inne­re Stim­me mal wie­der kom­plett igno­riert habe, doch die Fol­gen sind fatal: ich bin eine Gefan­ge­ne der Yoga­po­li­zei.

Jeden Mor­gen und jeden Abend wer­den die Insas­sen der Yoga-Vollzugsanstalt zum Appell beor­dert und mein Leid beginnt. Denn ein­her­ge­hend mit dem Ein­tref­fen der bedau­erns­wer­ten Zwangs­yo­gis­ten beginnt auch das Mantra-Corps der Yoga­po­li­zei sei­ne anstalts­ty­pi­sche Marsch­mu­sik zu spie­len. Laut­stark und in End­los­schlei­fe hagelt es neu­ro­lin­gu­is­ti­sche Umer­zie­hung für das fehl­ge­lei­te­te Unter­be­wusst­sein aller Anwe­sen­den aus dem mobi­len Anstalts­ver­stär­ker. Mantra-Musik bis der Bra­in­doc­tor kommt.

Sämt­li­che Bewe­gungs­leg­asthe­ni­ker begin­nen dann im Hall der Sirenen-Stimme irgend­ei­ner bekiff­ten Yoga­tan­te ihre von vega­ner Ernäh­rung aus­ge­mer­gel­ten Hüh­ner­bein­chen zu ver­bie­gen, wäh­rend der Ober­be­fehls­ha­ber mit sanf­ter Säu­sel­stim­me Anwei­sun­gen aus­teilt.

Knall­har­te Kör­per­er­tüch­ti­gung wie zu Kai­sers Zei­ten soll der See­le zum Über­gang in den Yogi-Himmel und den Urheber*innen diver­ser Yoga-Lehren zu irdi­schem Reich­tum ver­hel­fen. Gna­den­los wird ermu­tigt, ange­feu­ert und gehät­schelt, bis das Yogi-Ego vor Freu­de in die Hän­de klatscht. Sämt­li­chen Prak­ti­kan­ten steht der Stolz über jedes Lob in das vor Anstren­gung hoch­ro­te Gesicht geschrie­ben. Der Schweiß perlt, die Gelen­ke kna­cken, der Atem geht in Stö­ßen. Was sich durch die viel zu dün­ne Tür mei­nes Anstalts­zim­mers anhört wie die Ver­to­nung eines Por­no­strei­fens, soll wohl das Pra­na zum Him­mel schi­cken. Shi­va sitzt schließ­lich da oben und wacht über jede Bewe­gung ihrer Jünger*innen.

Gedan­ken des Bösen

Ich sit­ze im Drei­bett­zim­mer der Anstalt und wache über jede Bewe­gung mei­ner Gedan­ken. Pas­send zu der End­los­schlei­fe der Mantra-Folter, zie­hen Fan­ta­sien von grau­en­haf­ten Ver­gel­tungs­ta­ten unab­läs­sig durch mei­ne Schalt­zen­tra­le. Zu ger­ne wür­de ich dem Yoga-Schinder sei­ne vor­schrifts­mä­ßig gefal­te­ten Bein­chen hin­ter dem Kopf ver­kno­ten und ihn in Val­de­va­que­ros die Klip­pen run­ter sto­ßen. Sei­ne Adju­tan­ten gleich hin­ter­her. Die Quetsch­kom­mo­de, die sie Ver­stär­ker nen­nen, an mein Mac­Book anschlie­ßen und den Anstalts­in­sas­sen mal wirk­lich ent­span­nen­de Musik vor­spie­len. Ein paar Songs von den Chef-Headbangern mei­ner Jugend wären das rich­ti­ge Mit­tel. Blee­ding Me und Until it Sleeps könn­te ich mir zum Ein­ge­wöh­nen vor­stel­len. Danach dann St. Anger und viel­leicht Hard­wired für einen guten Schlaf. Metal­li­ca statt Man­tren – ach was wür­de ich drum geben. Doch lei­der bin ich in der Yoga­höl­le und nicht im Metal­him­mel.

Über wah­re Ent­span­nungs­me­tho­den wis­sen die­se Yoga-Irren ein­fach nichts. Sie behaup­ten, Metal-Musik sei aggres­siv. Dabei ver­ste­hen sie nur das Wir­kungs­prin­zip einer Metallica-Anwendung nicht. Denn ein Metallica-Album in the­ra­peu­tisch sinn­vol­ler Laut­stär­ke ver­ab­reicht, kuriert Aggres­sio­nen auf allen Ebe­nen.

Wäh­rend das pene­tran­te Anbet­teln einer indi­schen Göt­tin, die in ihrer nächs­ten Inkar­na­ti­on viel­leicht als Nackt­schne­cke auf dem Bauch durchs Leben glit­scht, ledig­lich zum Bag‑, bzw. Yoga­wahn führt, ist Metal­li­ca der Besen, mit dem man auch die hin­ters­ten Ecken sei­ner unko­sche­ren Gefühls­wel­ten aus­fe­gen kann. Wäh­rend Herr Het­field höchst per­sön­lich sämt­li­chen bösen Gedan­ken in den Arsch tritt, glotzt Shi­va bloß von ihrer Wol­ke run­ter und for­dert ver­klärt drein­bli­cken­de Vega­ner zum Tur­nen auf. James Het­field rules, Shi­va sucks.

Der bes­te Beweis für die the­ra­peu­tisch wert­vol­le Wirk­sam­keit von Metal-Musik ist, dass Metallica-Fans fried­li­che, humor­vol­le und tole­ran­te Alles­fres­ser sind, die auch auf Groß­ver­an­stal­tun­gen der musi­ka­li­schen Heil­kunst, wie das Fes­ti­val in Wacken, außer ein paar zer­quet­schen Bier­do­sen kei­nen Scha­den hin­ter­las­sen. Zehn Yoga-Deppen kön­nen es dage­gen mit ihren sie­ben Chak­ren ver­ein­ba­ren, dass sie durch ihr nar­ziss­ti­sches Ver­hal­ten bei allen ande­ren Bewoh­nern der Anstalt einen nach­hal­ti­gen Scha­den an Kör­per und Geist ver­ur­sa­chen. Es gibt kein Ent­rin­nen aus dem Fol­ter­kel­ler, denn die stän­dig mit schlech­ter Ver­to­nung ins Ohr geprü­gel­ten Man­tras haben die per­ver­se Eigen­schaft, einen auch des näch­tens heim­zu­su­chen. Kaum wird der Schlaf ein biss­chen leich­ter, dudelt es Shi­va, Shi­va im Ohr und der wohl ver­dien­te Schön­heits­schlaf ist dahin. Alko­hol­kon­sum solls rich­ten, doch selbst ein ordent­li­cher Rausch schützt vor Shi­va nicht. Scheiß Yogis…

Wie soll man das bloß auf die Dau­er aus­hal­ten, fragt sich der geis­tig gesun­de Metal-Fan und staunt nicht schlecht über die unhei­li­ge Resi­li­enz der Yoga-Schleifer. Denn jeder Fin­ger­zeig, alles Bit­ten und Bet­teln um Ruhe ist ver­ge­bens – die Man­tras erklin­gen, der Yogi hebt ab.

Die Rache des Metal­heads

Da hilft nur schwar­ze Magie, denkt sich das metal­li­sche Hirn und schrei­tet zur Tat. Plä­ne von Ritua­len zur Yoga­ab­wehr wer­den aus den dun­kels­ten Ecken des Uni­ver­sums her­un­ter­ge­la­den und zur Anwen­dung gebracht. Die ers­te Angriffs­wel­le besteht aus den anti­ken Krie­gern des Leck-mich-am-Arsch-Regiments, die zwei­te Wel­le fährt gemei­ne­re Geschüt­ze auf. Es wer­den geschul­te Fach­kräf­te zwecks Unter­wan­de­rung der ahnungs­lo­sen Anstalts­in­sas­sen aus­ge­sandt, um deren Stim­mungs­la­ge aus­zu­spio­nie­ren, ihnen anschlie­ßend sorg­fäl­tig aus­ge­wähl­te Infor­ma­tio­nen über mili­tan­te Yoga­is­ten zu impli­zie­ren und sie schließ­lich zu Kriegs­ver­bün­de­ten zu machen. Mit Wel­le Num­mer Drei bezie­hen mit Hoch­leis­tungs­bo­gen aus­ge­rüs­te­te Hecken­schüt­zen Stel­lung an ver­schie­de­nen stra­te­gisch wich­ti­gen Punk­ten in den Rei­hen der neu­en Ver­bün­de­ten und schie­ßen mit dunk­ler Mate­rie ver­gif­te­te Pfei­le in Rich­tung der Kom­man­do­zen­tra­le der Yogis.

Dann heißt es: abwar­ten. Der unfrei­wil­li­ge Mas­ter of Pup­pets zieht sich mit einer Fla­sche guten Wei­nes hin­ter sei­ne eige­nen Rei­hen zurück und lässt das ver­schos­se­ne Gift wir­ken.

Zur Freu­de des gepei­nig­ten Metal-Fans krüm­men sich die Anfüh­rer des Yoga­or­dens als­bald unter der Wir­kung des Gif­tes zusam­men. Statt ihrer Man­tras in End­los­schlei­fe, spie­len sie plötz­lich Stair­way to Hea­ven auf der Gitar­re oder las­sen Irish Folk auf der Quetsch­kom­mo­de dudeln. Wenigs­tens etwas, freut sich der Metal-Fan und traut sich kaum zu den­ken, dass die Magie schon wirkt. In den fol­gen­den Tagen zeigt sich aller­dings bereits das vol­le Aus­maß der schwar­zen Ritua­le: der Stern der Yoga­po­li­zei sinkt, die Anstalt ver­wan­delt sich in eine Brut­stät­te der lei­sen Häme. Man schmun­zelt ver­hal­ten wenn Wit­ze über Yogis und Vega­ner geflüs­tert wer­den und blickt ver­ständ­nis­voll, wenn sich der Metal-Fan beim Erklin­gen der Yogi­du­de­lei die Ohren zu hält.

Es dau­ert nicht lan­ge, und die Anhän­ger der Leh­ren Shi­vas schlur­fen mit hän­gen­den Schul­tern durch die Anstalts­räu­me. Sie wis­sen nicht wie ihnen geschieht, denn schwar­ze Magie ist stär­ker als Mate-Tee. Tja, Leu­te, wird wohl nix mit Erleuch­tung. Das Hexer-Ensemble hat eure Stand­lei­tung zur Kun­den­hot­line von Shi­va gehackt.

Die Freu­de ist groß, der Plan hat funk­tio­niert, doch der Metal-Fan ist von Natur aus gut­mü­tig. So wird der Bann schließ­lich auf­ge­ho­ben, die Hecken­schüt­zen abge­zo­gen. Eigen­hän­dig salbt der Metal­ler die Wun­den der Yoga-Jünger, klopft trös­tend auf die gebeug­ten Schul­tern und gibt den barm­her­zi­gen Sama­ri­ter. Eigent­lich mag man sich ja. Shi­va soll­te nicht zwi­schen den Men­schen ste­hen.

Ende der Yoga-Kriege

Der Krieg ist been­det, die Anstalt befrie­det. Alle Bewoh­ner zie­hen sich in gewohn­te Rou­ti­nen zurück. Man geht sei­ner Wege und über­lässt die Yogis ihrer Rat­lo­sig­keit. Mor­gens wird sich nun schwei­gend gedehnt. Auch abends ent­weicht nur ein lei­ses Oooommmm aus den zar­ten Keh­len der Yoga-Turngruppe. Dazwi­schen ertö­nen jetzt Klän­ge von bekann­ten Rock­bands aus den 70ern.

Der Metal-Fan kann auch wie­der die Nacht durch­schla­fen. Die Panik vor dem Mantra-Gejaule lässt lang­sam nach. Songs von Deep Pur­ple und Led Zep­pe­lin haben noch kei­nem gescha­det, höchs­tens die Dro­gen, die zeit­gleich mit der Musik kon­su­miert wur­den. Aber das ist eine neue Geschich­te.

Da der Metal-Fan nun wie­der im Frie­den lebt, denkt er dar­über nach, wie man den geläu­ter­ten Yoga-Jüngern eine Freu­de machen kann. Er ertappt sich dabei, wie er das Fein­kost­re­gal von Lidl nach vega­ner Scho­ko­la­de absucht oder mit den Anhän­gern Shi­vas einen Getrei­de­kaf­fee zu sich nimmt. Frie­de auf Erden ist doch das Bes­te – kann aber nur funk­tio­nie­ren, wenn sich die ver­sam­mel­te Bevöl­ke­rung zusam­men­reißt und Rück­sicht nimmt.

Die Yogis­ten schei­nen das nun zumin­dest ein Stück weit begrif­fen zu haben, denn es herrscht pha­sen­wei­se ange­neh­me Stil­le.

Nur manch­mal noch, wenn der Yoga-Schleifer auf den Knien rut­schend in sei­nem Öko­gärt­chen Unkraut zupft, ertönt aus dem Laut­spre­cher sei­nes Mobil­te­le­fons in der Hosen­ta­sche ein ganz lei­ses Shi­va, Shi­va… Doch dar­über kann der Metal-Fan inzwi­schen schmun­zeln.

P. S.: Natür­lich lie­be ich alle Mit-Insassen der Anstalt, sowie die Yoga­po­li­zei in der Tie­fe mei­nes Her­zens. Yogis­ten sind eigent­lich ange­neh­me Men­schen – bis zu dem Punkt, wo es um ihr Lieb­lings­the­ma geht. Da ken­nen sie kein Par­don. Mögen sie den­noch alle selig in Shi­vas Scho­ße kuscheln.