Die magi­sche 8

Von Novem­ber 2016 bis Mai 2018 war ich als Digi­tal­no­ma­din mit mei­nem BMW Z3 in Spa­ni­en und Por­tu­gal unter­wegs. Ursprüng­lich woll­te ich nur an einem bekann­ten Hot­spot für digi­ta­le Noma­den über­win­tern, doch dann kam alles anders und am Ende hat­te ich eine 8 auf die Land­kar­te gefah­ren.

Pau­se in Reque­na, in der Nähe von Valèn­cia
Abends am Strand bei Tarifa, mit der afri­ka­ni­schen Küs­te im Hin­ter­grund
Mein ers­tes Zuhau­se in Por­tu­gal, Janu­ar 2017
Muse­um für moder­ne und zeit­ge­nös­si­sche Kunst in San­tan­der
Lac de Ser­re Pon­çon mit Berg­mas­siv in den fran­zö­si­schen Alpen

Auf der Suche nach dem Ziel

3.000 Kilo­me­ter Auto­fahrt lagen vor mir. Da ich die Über­nach­tungs­mög­lich­keit in Tarifa erst drei Tage vor­her gebucht hat­te, war mir kei­ne Zeit geblie­ben, die Fahrt zu pla­nen oder mir auch nur Gedan­ken dar­über zu machen, was es eigent­lich bedeu­tet, mit dem Auto durch frem­de Län­der zu rei­sen. Bis auf mei­ne Zug­fahrt nach Ply­mouth in Eng­land, wo ich ein Jahr als Au-pair ver­brach­te, war nie zuvor gereist. Ich wuss­te nichts von Auto­bahn­ge­büh­ren oder den jeweils lan­des­ty­pi­schen Ver­kehrs­re­geln und hat­te kei­ne Über­nach­tun­gen geplant. Ich hat­te mir die Rou­te auf Goog­le Maps ange­se­hen und eine gute Woche Zeit ein­ge­plant. Unter­wegs woll­te ich spon­tan ent­schei­den kön­nen, wo ich lang fah­re und dann sehen, was sich so ergibt. Für Not­fäl­le hat­te ich ein Zelt dabei und dach­te, es wird sich schon ein Plätz­chen fin­den las­sen, wo ich schla­fen kann. 

Die gan­ze Rei­se wur­de zu einem Über­ra­schungs­pa­ket. Ich bin an fran­zö­si­schen Tank­au­to­ma­ten ver­zwei­felt und habe ein paar­mal im Sit­zen in mei­nem Auto geschla­fen. Ich habe die Goog­le Maps-Tante ver­flucht und bin durchs spa­ni­sche Nir­gend­wo geirrt. Letzt­lich kam ich wohl­be­hal­ten in Tarifa an, doch dort stell­te sich schnell her­aus, dass mein Ziel erst der eigent­li­che Anfang mei­ner Rei­se sein wür­de.

Die Bei­fah­rer­sei­te mei­nes BMWs, wäh­rend mei­ner Anfangs­zeit als Digi­tal­no­ma­din
Stra­ßen­ecke in Tarifa

Tarifa Adé!

Weil ich in mei­ner Unter­kunft in Tarifa fast ver­rückt gewor­den wäre, muss­te ich mir eine neue Über­nach­tungs­mög­lich­keit suchen, in der ich auch mei­nen Arbeits­platz ein­rich­ten und pro­duk­tiv wer­den konn­te. Süd­spa­ni­en wird aber von vie­len Nord­eu­ro­pä­ern zum Über­win­tern genutzt, des­halb waren die im Inter­net ange­bo­te­nen Unter­künf­te für mich nicht erschwing­lich. Auch die Suche in Tarifa war nicht erfolg­reich, also erwei­ter­te ich mei­ne mög­li­che Reich­wei­te mehr und mehr und lan­de­te schließ­lich auf der Web­site eines Cam­ping­plat­zes in Por­tu­gal. Der Inha­ber war Nie­der­län­der, sprach her­vor­ra­gend gut Deutsch und lud mich ein, für schma­les Geld einen der Wohn­wa­gen zu nut­zen, die er auf sei­nem Platz ver­mie­te­te. Die Ent­fer­nung zu Tarifa war eine Tages­rei­se mit dem Auto. Das konn­te ich mir noch leis­ten und so reis­te ich nach Cas­te­lo de Vide in Por­tu­gal.

Die aus­ge­spro­chen freund­li­chen Betrei­ber des Cam­ping­plat­zes mach­ten mich mit einer Freun­din bekannt, die ein Zim­mer zu ver­mie­ten hat­te. Und so kam es, dass ich ein hal­bes Jahr lang bei einer sym­pa­thi­schen Hol­län­de­rin in einem Haus in den Ber­gen wohn­te. Das war eine fan­tas­ti­sche Zeit! Ich hat­te ein knuf­fi­ges Zim­mer mit Inter­net­an­schluss und Aus­blick, ich wur­de von Hün­din Lea, Kat­ze Mimi und auch von der Gast­ge­be­rin ins Herz geschlos­sen und lern­te die atem­be­rau­ben­de Natur in der Umge­bung schät­zen. Fast täg­lich durch­streif­te ich mit Lea die Gegend, hol­te mir blu­ti­ge Krat­zer an sta­che­li­gen Büschen und rau­en Fel­sen, traf Wild­schwei­ne, gelän­de­gän­gi­ge Kühe und jede Men­ge Eidech­sen. Die Zeit dort, war eine der schöns­ten mei­nes Lebens.

Hün­din Lea und ich machen Pau­se
Die „Stra­ße” zum Haus mei­ner Lieb­lings­hol­län­de­rin, bei der ich wohn­te

Von Cas­te­lo de Vide zog es mich nach Por­to. Ich hat­te auf Insta­gram eine Ame­ri­ka­ne­rin ken­nen gelernt, die mit ihrem Mann nach Por­to aus­ge­wan­dert war und mich ein­lud, die­se wun­der­schö­ne Stadt zu erkun­den. Eigent­lich hat­te ich vor, nach Lis­sa­bon zu gehen, aber Por­to kann­te ich noch nicht und so ent­schloss ich mich, erst­mal die Metro­po­le im Nor­den zu berei­sen. Lis­sa­bon muss­te war­ten. Dann kam es, wie es kom­men muss­te: ich ver­lieb­te mich in die Stadt der Brü­cken am Dou­ro und woll­te ger­ne blei­ben, doch waren mei­ne finan­zi­el­len Mit­tel arg begrenzt. Eine Woche lang such­te ich nach einer bil­li­gen Blei­be, doch jede ange­bo­te­ne Behau­sung war für einen dau­er­haf­ten Auf­ent­halt ent­we­der zu gru­se­lig oder zu teu­er. Mei­ne Ver­zweif­lung wuchs von Tag zu Tag. Ich sah mich schon in mei­nem klei­nen Zelt unter einer Brü­cke woh­nen, denn ich hat­te auch nicht mehr das nöti­ge Geld für die Heim­fahrt.

Blick von der Pon­te Dom Luís I auf den Dou­ro in Por­to
Der berühm­te Bahn­hof Sāo Ben­to im Mor­gen­licht

Yes, Capt’n

Die Lösung mei­ner Pro­ble­me kam erneut in Form eines Nie­der­län­di­schen Staats­bür­gers daher. Bei einem Tref­fen der Expats-Organisation Inter­Na­ti­ons lern­te ich einen groß­ar­ti­gen Men­schen ken­nen, des­sen Haus für ins­ge­samt fast ein Jahr mei­ne neue Sta­ti­on wer­den soll­te. Der Mann ist von Beruf Kapi­tän und such­te jeman­den, der jeweils für eini­ge Mona­te auf sein Haus in den Ber­gen Nord-Portugals auf­passt, wäh­rend er auf Fracht­schif­fen die Welt­mee­re bereist. In der fol­gen­den Zeit leb­te ich vier Mona­te lang allei­ne, grün­de­te mit streu­nen­den Kat­zen eine Gang, durch­leb­te eine irre Waldbrand-Saison und lern­te das Leben und mich selbst von einer neu­en Sei­te zu betrach­ten.

Ein klei­nes Feu­er­chen in der Nähe des Alb­ufei­ra do Alto do Raba­gão
Nach einem Wald­brand in der Nähe mei­nes Wohn­or­tes

Im Herbst kam der Kapi­tän zurück und ich flog nach Deutsch­land (mein ers­ter Flug über­haupt). Puschen und mei­ne ande­ren Hab­se­lig­kei­ten blie­ben in der Obhut des Flie­gen­den Hol­län­ders, wäh­rend ich bei mei­nen wun­der­vol­len Freun­den in Lan­gen­ha­gen wohn­te. Im Febru­ar flog ich wie­der nach Por­tu­gal, um noch­mal für eine Sai­son das Haus des Käpt’ns zu hüten. Im Gegen­satz zu den staub­tro­cke­nen, glü­hend hei­ßen Som­mer­mo­na­ten mit Brand­ge­ruch, plag­te mich dann jedoch feuch­te Käl­te in einem kaum beheiz­ba­ren Haus.

Fast drei Mona­te lang reg­ne­te es qua­si unun­ter­bro­chen. Bei einer Raum­tem­pe­ra­tur von höchs­tens 12 Grad (immer­hin im Plus) am Tag, fühl­te ich mich per­ma­nent unter­kühlt. Mei­ne Fin­ger waren steif vor Käl­te und mei­ne Moral im Kel­ler. Mit jedem Tag wur­de ich unzu­frie­de­ner und die lie­bes­tol­len Kater, die mei­ne adop­tier­ten Kat­zen­da­men hei­ra­ten woll­ten, brach­ten mich oben­drein um mei­nen Schlaf. Kurz vor mei­ner Abrei­se im Mai kam aber doch noch die Son­ne raus; es wur­de ange­nehm warm und die Kat­zen leg­ten mir ihre süßen Babys vor die Füße. Ende gut, alles gut. Immer­hin.

Mit­te Mai 2018 mach­te ich mich dann in mei­nem Puschen auf die Rück­rei­se nach Deutsch­land. Es ging von Cabece­i­ras de Bas­to über San­tan­der, an der Bucht von Bis­ka­ya, über Tou­lou­se und die Cam­ar­gue nach Turin, dann quer durch die Schweiz an den Boden­see und schließ­lich über Mün­chen in den äußers­ten Osten Deutsch­lands. Von Gör­litz führ­te mein Weg wie­der nach Lan­gen­ha­gen zurück, wo ich Ende 2016 gestar­tet war. Von der Abrei­se am 6. Novem­ber 2016, bis zur Ankunft am 28. Mai 2018, leg­ten Puschen und ich rund 17.200 km zurück. Für einen Zeit­raum von 19 Mona­ten und einen Abste­cher an die Süd­spit­ze des Euro­päi­schen Fest­lan­des, ist das gar nicht so viel.

Eine mei­ner Kat­zen­schütz­lin­ge
Mein Zuhau­se für fast ein Jahr

Die magi­sche Acht

Mei­ne gesam­te Rou­te mal­te eine „magi­sche“ 8 auf die Land­kar­te. Magisch des­halb, weil die lie­gen­de 8 das Zei­chen für unend­lich ist und ich den Ein­druck habe, dass mei­ne Rei­se eine schö­ne Meta­pher auf die immer wie­der­keh­ren­den Aspek­te des Lebens war: Auf­bruch und Suche nach Glück, Gewinn und Ver­lust, geläu­ter­te Rück­kehr zum Ursprung, Neu­an­fang.

Bild­mon­ta­ge aus Kar­ten­ma­te­ri­al von ©Goog­le Maps 2020